Am vergangenen Samstag hatte ich mir nach längerer Zeit mal wieder mehr oder weniger einen freien Tag gegönnt. Von unserem Wohnzimmer aus haben wir einen direkten Blick auf die Gebirgskette über uns.
Es war schon länger geplant die Gebirgskette am Grat entlang zu übersteigen. Und da am Samstag recht schönes Wetter war, nutzte ich die Gelegenheit die Gebirgskette in Angriff zu nehmen. Ein wenig Respekt hatte ich schon davor, denn ich wusste nicht, was mich erwarten würde. Und bis dato gehöre ich auch nicht zu jenen, die wöchentlich auf irgendwelchen Graten oder Berggipfeln rumturnen. Doch ich liebe die Berge. Sie haben etwas magisches, mystisches und zugleich auch etwas demütiges. Besonders, wenn Du oben auf dem Gipfel stehst und hinunter auf die Welt schaust. Plötzlich erscheint da unten alles so unwichtig und bedeutungslos. Der Planet Erde mit uns Menschen ist im Kosmos nicht mal ein Sandkorn in der Wüste. Und doch nehmen wir uns alle so extrem wichtig. Aber das ist ein anderes Thema.
Als Vorbereitung der Gratüberschreitung hatte ich mich als allererstes vergewissert, dass das Wetter stabil bleibt. Gerade am Grat ist stabiles Wetter extrem wichtig. Gleichwohl kann das Wetter immer plötzlich umschlagen. Dann machte ich mir Gedanken, welche Hilfsmittel sprich Ausrüstung ich für die Tour, aufgrund der Länge, der Schwierigkeit, des Wetters sowie meiner bisherigen Erfahrung und Leistungsfähigkeit benötigte. So pakte ich sehr spartanisch meinen 10l Rucksack.
Am späten Vormittag ging es dann los. Ich informierte noch kurz Julia, die arbeiten war, wo ich unterwegs sein würde. Nur für alle Fälle.
Die Tour unterteilte ich mir in verschiedene Etappen. Das hilft motiviert zu bleiben. Denn beim Start ist das Ziel noch in weite Ferne. Und da es heute auch eine etwas längere Tour werden sollte, nahm ich mir vor ganz entspannt den Berg zu erklimmen, denn die höchste Konzentration ist auf dem Grat und beim Abstieg gefordert. Also solltest Du Dein Kräfte möglichst einteilen. So machte ich mich von meiner Haustür auf den Weg zur Thaurer Alm über einen Waldsteig. Weiter ging es von dort auf die Kaisersäule und zum Törl. Bis hierin waren bereits mehr als 1.000 Höhenmeter zurückgelegt.
Auf dem Weg zum Törl verschlechterte sich zusehends die Wetterlage. Es wurde sehr trüb und dunkel am Himmel und es wurde teils sehr windig. Ich ging weiter Richtung Törl, da von hier aus im Falle eines Wetterumschwungs keine Gefahr ausging und ich hätte problemlos umkehren können. Da es zwar weiterhin sehr trüb und windig war, aber trocken, nahm ich mir das nächste Ziel vor. Der erste Gipfel des Tages. Die Wildangerspitze auf 2.153m. Von dort ging es dann weiter Richtung Lattenspitze.
Nun wurde es richtig unangenehm. Es kühlte stark ab und es wurde stürmisch auf teils ausgesetzten Passagen. Darauf war ich leider nicht vorbereitet. Außer einem Wechselshirt hatte ich an Kleidung nichts weiter mitgenommen. Mein Fehler und meine Verantwortung! Auf der Lattenspitze hatte ich mir ursprünglich vorgenommen eine ausgedehnte Pause zu machen. Aber es war so stürmisch und unangenehm, dass ich mir nur kurz ein paar getrocknete Mangos gönnte. Ich war durchgeschwitzt und wollte nicht das Risiko eingehen auszukühlen. Nun kam die vermeintlich anspruchsvollste Passage Richtung Pfeisspitze. Sollte ich auf dem Grat weitergehen, oder den Rückzug antreten? Ich entschied mich für die Gratüberschreitung. Es war zwar sehr stürmisch und kühl, aber das Wetter blieb stabil.
Der Weg zur Pfeiser Spitze entpuppte sich tatsächlich als der anspruchsvollste Teil der Tour. Es gab eine längere ausgesetzte Passage mit stahlseilversicherten steilen Auf- und Abstiegen. Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sind hier zwingend erforderlich. Klettertechnisch war es aber nicht anspruchsvoll. Die Pfeiser Spitze war mit 2.347m zugleich der höchste Punkt der Gipfeltour. Von hier ging es dann weiter auf die Thaurer Jochspitze. Das war auf der Gratüberschreitung auch der letzte Gipfel. Nun begann der Abstieg über das Kreuzjöchl. Dort angekommen wurde es merklich wärmer und auch weniger windig. Nach 4 Gipfeln mit ca. 1.800m Auf- und Abstieg und 17km Strecke kam ich etwa 6 Stunden nach Beginn meiner Tour wieder gut zuhause an.
Was war für mich die Quintessenz aus der Tour?
Die Vorbereitung ist die halbe Miete! Was benötige ich an Unterstützung, Maßnahmen und Hilfsmitteln, um mein Ziel in Angriff nehmen zu können? Welche Schwierigkeiten können mir auf dem Weg zu meinem Ziel begegnen? Wie kann ich mich auf mögliche Schwierigkeiten optimal vorbereiten? Wer kann mir dabei behilflich sein? Gibt es jemanden in meinem Umfeld, der vielleicht schon dort war, bzw. ist, wo ich erst noch hinmöchte?
Der Weg ist das Ziel! Breche Dein Ziel auf einzelne Etappen (Aktivitäten pro Tag) herunter. So hast Du eine permanente Wegkontrolle und kannst Dein Ziel auch skalieren. Und es hält die Motivation hoch. Denn es ist einfacher Schritt für Schritt Deinem Ziel entgegen zu gehen und Deine Etappenziele fest im Blick zu haben, als Dich auf das Endziel zu fokussieren. Fokussiere Dich dabei nur auf die Aktivitäten, die Dich Deinem Ziel näher bringen und delegiere, respektive eliminiere alle anderen Tätigkeiten.
Am Anfang kannst Du Dein Ziel meistens nicht sehen. Es erscheint möglicherweise sogar unerreichbar. Aber dadurch dass Du Deine Ziele herunterbrichst, wird es machbar.
Sei auf Widrigkeiten und Schwierigkeiten vorbereitet. Du kannst immer wieder in Situationen geraten, wo Du den Weg zum Ziel möglicherweise neu überdenken musst, andere Hilfsmittel benötigst. Und Du musst schnelle Entscheidungen treffen. Vertraue Deiner Intuition, nicht Deinem Gefühl. Das Gefühl kommt aus dem Kopf, also dem Ego und die Intuition von innen! Eine Entscheidung muss nicht logisch und rational sein. Sie muss nur richtig sein, für Dich! Nur für Dich!
Und noch etwas wird mir mit jedem erreichten Ziel immer klarer.
Wenn wir uns einem anspruchsvollen Ziel stellen, wo wir glauben, dass es uns möglicherweise sogar überfordern könnte (weil wir Angst vor dem Ziel haben) und wir haben uns optimal vorbereitet, gehen mit Fleiß, Disziplin und Ausdauer unser Ziel an und bleiben fokussiert, egal was auf dem Weg zum Gipfel (Ziel) an Widrigkeiten auf uns wartet und Du erreichst Dein Ziel, dann wirst Du fast immer feststellen, dass das Ziel leichter zu erreichen war, als Du Dir vorher im Kopf ausgemalt hast. Unsere einzige Hürde ist unser Mindset, ist unsere Angst! Die Angst findet nur in deinem und in meinem Kopf statt. Und doch ist sie dort real, aber nur dort! Der Weg ist immer da, wo die Angst am größten ist. Genau hier ist das Wachstumspotential am stärksten.
Wann hattest Du das letzte Mal Respekt oder sogar Angst vor einem Ziel, einer Aufgabe, nur um anschließend festzustellen, dass es garnicht so wild war?